Wenn Politiker:innen schwach sind

Der kleine Unterschied zwischen Rudolf Anschober und Markus Wallner

Wallners Pressesprecher Florian Themeßl-Huber: „Es ist jetzt das Ziel, nach dem Krankenstand in alter Frische und [Stärke] wieder zurückzukommen“

Landtags-Klubobmann Roland Frühstück: „Der [stärkste Baum] kann bei so einem WInd einfach auch einmal reagieren und ich hoffe, dass er [stärker] zurückkommt als er gegangen ist.“

Anschober hat damals erklärt, er sei „[überarbeitet] und [ausgepowert]“ und wolle sich „nicht [kaputt]machen“. „Für Er[krank]ungen braucht sich niemand schämen“.

Ich denke, die letzte Erkenntnis – erweitert um [Schwäche] – täte uns insgesamt als Gesellschaft gut.

Staatsbürger:innenschaft? Es ist genug da für alle.

Die ÖVP hat ein neues Lieblingsthema, die Staatsbürger:innenschaft.
Um damit im Gespräch zu bleiben, veranstaltet die Wiener Landespartei heute sogar ein eigenes Pressegespräch: „Keine [Entwertung] der Staatsbürgerschaft! – Wiener Behördenversagen bei der MA 35“

Die Argumente: Die Regeln für Einbürgerungen sind so wie sie sind „gut durchdacht“, die Staatsbürgerschaft stehe „erst am Ende eines gelungenen [Integration]sprozesses“, und schließlich müsse „wer in Österreich und in Wien leben will, (…) sich auch zu unseren [Werte]n bekennen“.

Staatsbürger:in sein, stellt fix einen gewissen Wert dar, der über die flexible [Mitgliedschaft] im Fitnesscenter hinausgeht.
Man genießt gewisse [Rechte] (Wahlrecht, Vorteile auf dem Arbeits- und Wohnungsmarkt,…) und übernimmt gleichzeitig gewisse [Aufgaben] (in der ÖVP redet man lieber von [Pflichten]). Man könnte vermuten, dass es sich hierbei um das Bemühen um ein respektvolles Miteinander handelt, um das Bezahlen von Steuern, allgemein um das Einhalten gesetzlicher Regeln, also wohl um ein Verhalten, dass wir von allen Menschen erwarten, die sich länger in Österreich aufhalten. Ob eine grundlegende Kenntnis der Geschichte Österreichs oder die Teilhabe am kulturellen Leben verpflichtend ist? Für die Volkspartei steht jedenfalls eindeutig im Pflichtenheft, dass sich neue Staatsbürger:innen „zu unseren Werten bekennen“ müssen.

Was man bei der ÖVP für „unsere Werte“ hält?
Leider finde ich trotz langer Suche keinen Hinweis darauf, was am schwarzen Herzen liegt. Für Generalsekretärin Sachslehner stellt die Staatsbürgerschaft ganz allgemein „ein hohes Gut“ dar. Wer aber auf welche Weise dieses Gut entwertet, wenn der Zugang dazu vernünftiger gestaltet wird, was meine Eltern und ich geleistet haben, um uns eine österreichische Staatsbüger:innenschaft zu verdienen, und welche Werte zu verteidigen sind, kann Sachslehner aber nicht erklären.

Die konservative Haltung ist trotzdem klar:
Willst du dabei sein, dann beweise dich und wir sagen dir, ob wir dich für würdig erachten.

Ein herablassender Zugang, der Menschen eher nicht dazu bewegt, sich zu integrieren (vielleicht liegt dort ja doch nicht so sehr der Fokus der ÖVP), sondern sie eher dazu bringt zu verzweifeln, ob der vielen Hürden. Apropos [Hürden], diese passen gut in das konservative Framing: Du musst springen. Hoch. Dann kannst du dabei sein. [Lockerungen] [eines der schärfsten Einbürgerungsgesetze] sind in dieser Welt nicht vorgesehen. Wozu auch? Warum sollte ich es dir leichter machen, meinem [exklusiv]en Klub beizutreten? In diese Gedankenwelt passt auch die Finanzhürde: Nur wer mindestens netto €1.200 verdient, verdient die Staatsbürger:innenschaft. [Verdienen]? Genau dieses moralisierende Framing ist ein Problem. Wie könnte ich sie mir nur verdienen, diese [Erlaubnis] dazuzugehören?

Schließlich geht es Menschen wohl genau darum: um die Möglichkeit dazuzugehören. Um ein sichtbares Zeichen, angenommen worden zu sein. Willkommen zu sein. Es geht um die Möglichkeit mitzubestimmen. Um ein Mindestmaß an (sozialer) Sicherheit. Um so viele Aspekte eines ganz normalen Lebens. Also insgesamt: um [Integration]. Einbürgerung als Katalysator für die Integration, nennt es Judith Kohlenberger kürzlich auf Ö1. Es geht um Gerechtigkeit. Um Menschen, deren Wollen, deren Kraft und Lebensfreude wir nicht nutzen, solange wir sie mit großer Geste ausschließen.

Ziel muss wohl sein, ein gerechtes Recht zu haben. Klare Regeln, erfüllbare Voraussetzungen, sinnvolle Begleitmaßnahmen. Oder? Grob in diese Richtungen gingen Forderungen der SPÖ: Anspruch auf den Erwerb der Staatsbürgerschaft nach sechs Jahren rechtmäßigem Aufenthalt. Automatische Staatsbürger:innenschaft für in Österreich geborene Kinder, wenn zumindest ein Elternteil fünf Jahre legal im Bundesgebiet aufhältig ist. Auf die geltenden Regeln in Sachen „Selbsterhaltungsfähigkeit“ zu pochen, wie das die ÖVP tut, ist eher weltfremd als konsequent. Strenge und Härte mögen bitte keine Kategorien sein, wenn es um Menschen geht.

Noch eines, liebe ÖVP: Keine Angst, es ist genug für alle da. Staatbürger:innenschaft ist kein beschränktes Gut. Sie wird nicht knapp, wenn man mit ihr großzügig ist. Ob das ein Thema heute beim Pressegespräch ist?

staatsbürger:innenschaft wozu?

„aus gründen“ greife ich die frage auf: wozu ist denn so etwas wie Staatsbürger:innenschaft gut?

eine sicht: willst du dabei sein, dann beweise dich und wir sagen dir, ob wir dich für würdig erachten. in diese sicht passen framings wie [hürden]. du musst springen. hoch. dann kannst du dabei sein. [lockerungen] [eines der schärfsten einbürgerungsgesetze] sind in dieser welt nicht vorgesehen. wozu auch? warum sollte ich es dir leichter machen, meinem exklusiven klub beizutreten? in diese welt passt auch die finanzhürde: nur wer mindestens netto €1.200 verdient, verdient die staatsbürger:innenschaft. [verdienen]? genau dieses moralisierende framing ist das problem. was müsste ich denn leisten, wie könnte ich sie mir verdienen, diese erlaubnis dazuzugehören?

schließlich geht es genau darum: um die möglichkeit dazuzugehören. um ein sichtbares zeichen, angenommen worden zu sein. willkommen zu sein. um die möglichkeit mitzubestimmen. um so viele aspekte eines ganz normalen lebens.
also insgesamt: um [integration]. einbürgerung als katalysator für die Integration, nennt es judith kohlenberger auf Ö1. es geht um gerechtigkeit. um ressourcen, die wir nicht nutzen, wenn wir so viele menschen ausschließen.

Ö1 hat heute dem alten österreichischen framing viel platz eingeräumt. zu viel. ja, es waren in der zweiten hälfte des beitrags auch anderen stimmen zu hören. in der zweiten hälfte. da war aber bereits das andere framing als das normale im raum [priming].

fazit eines schnell hingeschriebenen textes: eigentlich keines.
oder doch: was zuerst im journal-beitrag kommt, bestimmt die geschichte.

Die eigene Verantwortung wiegt 150 Zeichen

Ob die Grünen mit dem Framing [schuld] am „Sideletter“ ist [Sebastian Kurz] Erfolg haben? Ein Zweifel…

GRUENE-Comeback-sauberer-PolitikEs sind diese beiden Plakate aus der Vergangenheit, die heute so wehtun: „#COMEBACK SAUBERE POLITIK“ und „Wen würde der Anstand wählen“, dazu gibt es zahllose, die mit dem Topos „saubere Politik“ spielen. Das war einmal. Die Schlagzeilen heute:

Grüner Ärger über Sideletter-Leak
Grüner Ärger über Geheimabsprachen der Parteispitze mit der ÖVP

Die Grünen – also die mit Transparenz und Anstand – haben „geheime“ jedenfalls nicht-öffentliche, jedenfalls GRUENE-Wen-wuerde-der-Anstand-waehlenintransparente Absprachen getroffen. Mit der ÖVP, neben dem offiziellen Koalitionspapier. Ist das normal? Im Sinne von „machen das die Anderen auch“? Ja. Im Sinne von „selbstverständlich, dass die Grünen sowas machen“? Bisher dachte man, nein!

Sind Grüne bessere Menschen?

Warum eigentlich nicht? Sind Grüne bessere Menschen? Wohl nicht, aber sie hatten bei der vergangenen Wahl im September 2019 einen Spitzenkandidaten und später einen Verhandlungsführer, den heutigen Vizekanzler Werner Kogler, der bis vor dem letzten Jänner-Wochenende 2022 zu 100 Prozent als Person für eben diese geforderte Transparenz, eben diese geforderte Sauberkeit gestanden hatte. Aber das war eben im Herbst 2019.

Die offizielle Rekation eben jenes Werner Kogler heute Anfang 2022: „Nicht öffentliche Sideletter und Nebenvereinbarungen sollen der Mein Statement_Sideletter sollen der Vergangenenheit angehörenVergangenheit angehören“ – ein Visual auf seinem Facebook-Profil. Verbunden mit einem 2.000 Zeichen langen Statement – gerade 150 Zeichen widmen sich der eigene Verantwortung der Grünen, knapp, dafür unprominent mitten im Text, möglichst unauffällig.

Die (defensive) Botschaft bleibt: Wir waren’s nicht! Eigentlich schuld ist Sebastian Kurz. Eigentlich haben wir das beste herausgeholt. Immerhin versteht Kogler „alle, die finden, wir Grünen sind in der Form hinter unseren eigenen Ansprüchen zurückgeblieben – das sehe ich auch und das tut mir leid.“

Die Grünen folgen damit Frames aus der Vergangenheit, die sich schon bisher nicht bewährt haben

  • [Wir Grünen] sind leider nur [die Kleineren], da muss man [realistischerweise] schon sehen, dass wir [nicht alles erreichen] können. Trotzdem haben wir [David gegen Goliath] [viel erreicht], z.B. das Klimaticket.
    Inhaltlich mag das seine Richtigkeit haben. 37,5% vs 13,9% ist ein klarer Unterschied. Warum sich die Grünen aber zwei jahre lang (und auch jetzt) als [leider schwach] framen, und damit Erfolge z.B. von Klimaschutzministerin Gewessler eher zu Zufallstreffern machen, geht mir nicht ein.
  • [Sebastian Kurz] = [Schuld]. [Wir] hätten es ohnehin [anders] gemacht, aber mehr war nicht herauszuholen.
    Ganz bestimmt waren die Verhandlungen extrem schwierig. Alle VerhandlerInnen haben meinen Respekt für ihre Beharrlichkeit. Man muss sich allerdings für eine einzige Kommunikation entscheiden: Entweder haben wir „das Beste aus beiden Welten“ oder leider doch eher den unbefriedigenden Kompromiss, weil mit Kurz nun mal nicht mehr gegangen ist. Beides gleichzeitig klappt kommunikativ nicht, wie man sieht.
  • Dass [die anderen] es [genauso machen] und solche Hinterzimmer-Vereinbarungen [normal] sind, ist das dritte wesentliche Framing vieler Grüner dieser Tage. Was das bedeutet? Klarerweise, dass [Grüne Prinzipien] [genauso wertlos] sind, wie jene der andern Parteien, dass [Politik] insgesamt ein [verlogenes Geschäft] für HeimlichtuerInnen und VertuscherInnen ist. Danke für den Hinweis, dann kann ich ja eh auch jemand anderen wählen. Oder gleich meinen Glauben an die Demokratie im Keller verstauen.

Beispiel Johannes Rauch. Der Vorarlberger Grünen-Chef, selbst Teil des damaligen Verhandlungsteams, versucht es erst gar nicht mit Selbstkritik. Wer die Sideletter bedenklich findet, hat Politik nicht verstanden. Ein Koalitionspapier regle nicht, wie die neuen PartnerInnen mit allfälligen unterschiedlichen Positionen und Konflikten umzugehen gedenken. Also mit „Machtfragen“ . „Werden diese Fragen nicht vorab geklärt, könnte der größere Partner aufgrund seines höheren Gewichts jedes Detail, von dem im Koalitionsvertrag nicht die Rede ist, im Alleingang bestimmen. Damit würde sich aber jegliche Zusammenarbeit ad absurdum führen: daher ‚Sideletters'“, so Rauch in seinem Blog.

Außerhalb und innerhalb der Politik

„Außerhalb der Politik nennen sich diese ‚Sideletters‘ übrigens Nebenabsprachen und sind dermaßen normal und üblich, dass niemand je davon spricht, geschweige denn sie zu einem Skandal hochstilisiert.“ Kann bitte jemand Johannes Rauch sagen, dass er sich aber eben „innerhalb der Politik“ bewegt? „Wer behauptet, in Verhandlungen gehe es immer nur um Sach-, nie um Personalfragen, leidet unter mangelnder politischer Erfahrung.“ Und genau wer behauptet so etwas? Was soll diese Ablenkung von der Frage, wie Grüne in Verhandlungen und im politischen Alltag mit heiklen Themen und inoffiziellen Absprachen umgehen. Ob sie solche zulassen. Wie weit eigene abstrakte politische Ziele später auch im Alltag konkrete Gültigkeit haben. Wieweit gerade Grüne ihre politischen Entscheidungen demokratisch kontrollierbar machen. In Summe: Ob die Grünen ihre Worte auch leben, [walk your talk] und [talk your walk] eben.

Dass „Vertrauen in heiklen Bereichen durch Vertraulichkeit entsteht“ und dass das „die zurzeit ungeschriebenen Gesetze von Macht und Politik (sind), ob man sie mag oder nicht“, ist eine These von Rauch, nicht mehr. Von Grünen erwarte ich mir, dass sie damit Erfahrung sammeln wollen, ob nicht auch Offenheit das „dünne Eis des Vertrauens“ stärken kann.

Während Rauch polemisiert, versucht sich die Wiener Landesorganisation nicht zu positionieren und dafür die eigenen Stärken zu spielen. „Bürgermeister Ludwig lässt mit Mega-Polizeieinsatz die Bagger auffahren und beendet den Klimaprotest.“ Freilich, auch das ist wichtig für die Grünen. Die beiden Landesspitzen Judith Pühringer und Peter Kraus schweigen auf ihren eigenen Facebook-Profilen und überlassen es den WählerInnen, die Geschehnisse einzuordnen.

Andere, wie die bekannt widerständige Wiener Landtagsabgeordnete Viktoria Spielmann, versuchen wenigstens Selbstkritik. Zwar „ist (es) wohl nicht nötig zu erwähnen, dass nicht die Grünen dieses Spiel erfunden haben. Dennoch sind wir als Grüne Alternative vor langer Zeit angetreten, um es anders – um es besser – zu machen. Ich bin fest davon überzeugt, dass dieser politische Anspruch eine Stärke der Grünen ist und wir genau deshalb entschieden für Transparenz, für ein Ende der Hinterzimmer Politik und einen anderen Politikstil eintreten müssen – vor allem als Regierungspartei.“

Beispiele aus der Bundesregierung: Leonore Gewessler hält sich heraus. Ein Versuch, als „Fachministerin“ und nicht als Grüne Politikerin durch die Krise zu kommen? Könnte strategisch aufgehen. Justizministe rin Alma Zadić geht dafür das Risiko ein und hält ihren  Rücken für die Partei hin, indem sie etwas überhastet eine Reform bei Postenbesetzungen in der Justiz ankündigt. Inhaltlich freilich von enormer Wichtigkeit. Jetzt aber mit dem Beigeschmack einer Anlass-Gesetzgebung.

Was ich nicht entdecken kann, ist eine öffentliche – LAUTE – Anerkennung, dass Grüne WählerInnen zurecht (!) enttäuscht und zornig sind.

Zum Schluss eine etwas unscharfe Bitte

Ich halte die Frage, wie weit eigene abstrakte politische Ziele im Alltag tatsächlich Gültigkeit haben gerade jetzt für extrem wichtig. Wie weit gerade Grüne ihre politischen Entscheidungen demokratisch kontrollierbar machen. In Summe: Ob die Grünen ihre Worte auch leben, „walk your talk“ eben. Bitte macht euch auf diesen schwierigen Weg. Nicht weil er gut für die Grünen ist, um bei den nächsten Wahlen zu gewinnen. Sondern weil es ein wichtiger menschlicher Prozess ist, der die österreichische Demokratie weiterbringen kann.

Das derzeitige offizielle Framing deckt diese Fragen zu („Frames hide and highlight“).
Und das halte ich für bedenklich.

Dank Gernot und Sebastian dürfen wir wieder konservativ sein

Warum Gernot Blümel die Wienwahl als Erfolg verbuchen kann

Ehrlich. Wenn ich mich an Manfred Juracka erinnern will, muss ich mich sehr konzentrieren. Juraczka, das ist jener farb- und glücklose Mann, von dem ein gewisser Gernot Blümel 2016 die farb- und glücklose Wiener ÖVP übernommen hat.

Nach der Gemeinderatswahl 2015 gab Juracka nach dem schlechten Abschneiden der Volkspartei (9,24 Prozent) seinen Rücktritt bekannt. 2016 wurde sein Nachfolger bestellt, der bisherige Generalsekretär der Bundes-ÖVP, eben Gernot Blümel.

Heute ist zumindest Blümel fröhlicher, als es sein Vorgänger am Tag nach der Wahl war. Vorläufiges Ergebnis 18,49 Prozent, also ziemlich genau eine prozentuelle Verdoppelung. Und trotzdem gibt es rundherum Häme.
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Dass Blümel bei der letzten Weihnachtsfeier der ÖVP seinen ParteifreundInnen den Wiener Bürgermeistersessel in Aussicht gestellt hatte, war wohl nie so ganz ernst gemeint.

Warum kann Gernot Blümel den Wahlkampf trotzdem als Erfolg verbuchen?

Blümel hat der unattraktiven „Volks“-Partei wieder Profil gegeben. Kein Interview, kein öffentlicher Auftritt, ohne den Verweis, wer die richtige Politik macht, natürlich die ÖVP: „Mitte-Rechts-Politik mit Anstand“ , manchmal auch „mit Hausverstand“. Und damit hat er – gut vorbereitet – die eigenen Ziele erreicht.

Gut vorbereitet? Spätestens seit Jänner 2019 lässt Sebastian Kurz keine Spitze gegen das Rote Wien aus,

„Ich glaube nicht, dass es eine gute Entwicklung ist, wenn immer weniger Menschen in der Früh aufstehen und in immer mehr Familien nur mehr die Kinder in der Früh aufstehen, um zur Schule zu gehen.“

Und er attackiert – im Wien-Wahlkampf von Blümel fortgeführt – freilich nicht die Errungenschaften sozialistischer und sozialdemokratischer Stadtregierungen. Er macht sich auf die Suche nach der Emotion. Gegen den Schlendrian, die Faulheit, die Arbeitsunwilligkeit, die Freunderlwirtschaft, den Run auf die Mindestsicherung, gegen vermeintliche Ungerechtigkeiten. Und er verknüpft diese negativen Emotionen mit Rot und mit Wien. Inhaltlich freilich völliger Unsinn. Aber zielgruppengerecht.

Nachdem der ÖVP die bisherigen WählerInnen abhandengekommen sind, baut sich Blümel neue auf.

Zielgruppe ist längst nicht mehr ein optimistiches, zukunftsorientiertes städtisches BürgerInnentum. Zielgruppe ist die FPÖ-WählerInnenschaft. Frustriert, nach eigenem Empfinden zu kurz gekommen, konservativ bis retro, bloß mit höherem Einkommen. Die Zeiten, in denen man die Stadtschwarzen erstens als schwarz und zweitens als weltoffen und urban-liberal positioniert hatte, sind längst vorüber.

Gefällt mir das? Nein. Aber es wirkt.

20 Prozent der WienerInnen wissen wieder, warum sie ÖVP wählen sollen. Sie dürfen wieder konservativ sein. Weil [rechts]=[Mitte]=[Anstand]. Und freilich sind wir Konservativen sowohl anständig als auch in der Mitte der Gesellschaft.

Gernot Blümel und damit Sebastian Kurz haben wieder eine einigermaßen sichere Basis für ihre weitere Politik. Erreicht mit einer simplen Erzählung: Rot ist generell schlecht. Wir als ÖVP, wir sind diejenigen mit der Kompetenz. Mit dem Verstand. Mit dem Hausverstand. Wir sind die Macher, die Pragmatiker. Ganz anders als die linken TräumerInnen. Anders als die, die Wien abgewirtschaftet haben.

Faktisch falsch? Freilich! Aber seit wann haben Emotionen und Frames etwas mit Fakten zu tun? Manfred Juracka hat die Politik übrigens 2018 verlassen.

Warum man „Heimatvertriebene“ sagen sollte

Der Framing-Podcast „Denk nicht an einen Elefanten“ zum Nachlesen

Das Virus dominiert gerade die Schlagzeilen. Für die aktuelle Folge des Framing-Podcasts „Denk nicht an einen Elefanten“ haben wir uns trotzdem entschieden, nicht über Corona zu reden. Uns war die aktuelle Situation an der türkisch-griechischen Grenze wichtiger. Die humanitäre Katastrophe im Gefolge der Syrienkrise. An eben dieser Grenze und auf griechischen Inseln stecken zigtausende Menschen fest. Und die europäische Politik lässt sie im Stich.

„Wir dürfen 2015 nicht wiederholen“, erklären mir ÖVP-MinisterInnen und der Bundeskanzler. Es seien noch nicht einmal alle von damals fertig integriert. Nachdem wir hier Framing-Fragen verhandeln, gehe ich nicht auf die inhaltlichen Schwächen ein. Sondern ich habe eine Bitte: Vergessen wir niemals, dass wir hier mit [Menschen] zu tun haben. Mit Eltern, Töchtern, Großvätern. Und reden wir auch über Menschen. „Warum man „Heimatvertriebene“ sagen sollte“ weiterlesen

Temposchutz? Schutztempo.

[Mobilität]
[Tempo]
[Sicherheit]

Und plötzlich stecke ich mitten im Nachdenken über ein passendes Framing zum Thema „verträgliche Menge an Stundenkilometern“. Tempolimits? Geschwindigkeitsbeschränkungen? Weniger schnell? Langsamer?

(c) artem maltsev; unsplash
(c) artem maltsev; unsplash

„Begriffe wie #Temposchutz (bewerten die Sache) hingegen als Sicherheit & Fürsorge“, twittert Elisabeth Wehling dazu.

[Temposchutz]? Ich bin skeptisch. Schon beim [Klimaschutz] hatten wir zu Recht die Debatte: Wen willst du schützen? Das Klima? Oder doch lieber den Menschen? Will der Planet überhaupt von uns gerettet werden, bloß weil wir keinen Planet B zur Verfügung haben? Eigentlich geht es doch um [Menschenschutz], um unsere Chancen auf eine lebenswerte Umwelt.

Das Ziel: Das gesuchte Framing soll positive Bilder erzeugen. Langsames Autofahren, angemessenes Autofahren bedeutet Schutz des Lebens, Schutz vor Schaden, bedeutet Schutz vor Menschen, die schneller Auto fahren als gut ist für andere. „Temposchutz? Schutztempo.“ weiterlesen

Doskozils Framing der Burgenland-Wahl

Interessante Sätze von HP Doskozil zur Burgenland-Wahl im Ö1-Morgenjournal:

„Unser Credo war dem Grunde nach eine Politik zu machen für die Menschen mit einem humanistischen Ansatz, der sehr von Hausverstand getragen ist.“

„Ich glaub, diese Kategorisierung links-rechts, die müssen wir über Bord werfen.“
„Ich glaub, man braucht politische Ehrlichkeit und das hat in der Vergangenheit vielfach gefehlt.“
„Natürlich wird die Gerechtigkeitsfrage irgendwann zu stellen sein.“

Doskozils Framing: [Politik] ist das mit dem [Hausverstand], Bauch schlägt Expertise.
Und ad Migration: [restriktiv] = [konsequent].

Da werden sich Grüne, Neos, Linke und sonstige Progressive einiges einfallen lassen müssen.

[Verdienen], [Pflege], [Sicherheit]

[Verdienen]
[Pflege]
[Sicherheit]

Der Ausgangspunkt: Das Ö1-Morgenjournal von heute, 15. Jänner, 7 Uhr.
Das Thema: Die erste Arbeitssitzung der neuen türkis-grünen Bundesregierung.  Einer der ersten Sätze (Moderator Paul Schiefer): „Wieviel Menschen, die im Pflegebereich arbeiten, verdienen sollen, darüber wird heute auch wieder verhandelt.“

Ein zentrales klassisches [Framing] zur Erwerbsarbeit. [Geld] muss [verdient] werden. Deinen Job musst du dir verdienen. Dein Gehalt, deinen Lohn musst du dir verdienen. Deinen Wert musst du dir verdienen. Du verdienst es einfach nicht besser…!

Menschen, deren Würde und Arbeit haben in diesem Framing per se keinen Wert. Bezahlung baut hier nicht auf dem Kollektivvertrag auf sondern auf einer moralischen Wertung. Selbst dann, wenn es sich um eine so wertvolle Tätigkeit handelt, wie das Pflegen von Menschen, die diese Unterstützung dringend brauchen. „[Verdienen], [Pflege], [Sicherheit]“ weiterlesen

Koalitionsverhandlungen, Sparkurs und Hadschi Bratschi-Framing

Der Framing-Podcast „Denk nicht an einen Elefanten“ zum Nachlesen

Jetzt verhandeln sie noch immer, die Türkisen und die Grünen. Und bislang ist der wesentlichste Dissens, den die VerhandlerInnen nach außen tragen, jener, wielange die Gespräche noch dauern werden.

[Zeit] wird dabei als [endliche Ressource] geframet, als [begrenzt]. Ich verspreche Ihnen aber: Zeit haben wir unendlich viel. Okay, manchmal haben wir’s eilig. Der Zug fährt nun mal bereits in 28 Minuten, nicht in 26 und nicht in 32. Der Abgabetermin ist übermorgen. Der Arbeitstag dauert bis 17 Uhr und wielange mein Leben noch dauern wird? Wer weiß…

Aus unserer Alltagserfahrung („Ich habe diese und jene Zeitspanne zur Verfügung.“) schließen wir auf das generelle Wesen der Zeit. Und wir machen sie knapp und begrenzt. Dabei haben wir alle Zeit der Welt. Ehrlich. „Koalitionsverhandlungen, Sparkurs und Hadschi Bratschi-Framing“ weiterlesen